Die „Kultur im Trafo“ steht auf
einem Gelände mit Geschichte
Nach sieben Jahren Bauzeit konnte 2021 das neue Neuhauser Bürgerzentrum „Kultur im Trafo“ endlich in Betrieb genommen werden. Ein Veranstaltungssaal, Konferenzräume, ein Bistro und ein Bandübungsraum stehen der Bürgerschaft nun zur Verfügung.
Ein Blick auf die vorherige Nutzung des Grundstückes bringt, historisch gesehen, interessante Fakten zutage. Deshalb hier ein kleiner Rückblick:
Die heutige Trafo-Grundfläche war eine Wiese, die den Flurnamen „Reiseranger“ trug. Diese gehörte bis 1811 zum Engasserhof, einem großen Neuhauser Bauernanwesen, das in der Nibelungenstraße 6 stand. Diese Wiese wurde in den 1850er-Jahren an das Anwesen „Zimmergörglsölde“ in der Winthirstraße 18 verkauft. Erst 1876 erwarb die Gemeinde Neuhausen diese Fläche, um den Winthirfriedhof, der schon viel zu klein geworden war, um einen neuen Ostteil zu vergrößern. Hier wurden die Friedhofssektionen 10, 11 und 12 angesiedelt, die vornehmlich für Kindergräber genutzt wurden.
1906 erwarben die Münchner Elektrizitätswerke den nicht mehr genutzten östlichen Friedhofsteil und errichteten auf dem rund 120 Meter nach Westen verlaufenden Grundstück ein „Unterwerk“, bestehend aus Umspannwerk, Netztrafostation und Straßenbahngleich-richterwerk. Diese Neubauten sorgten schon kurz nach der Fertigstellung für Ärger. Die „Nymphenburger Zeitung Neuhauser Nachrichten“ schrieben im März 1907: „Neuhausen hat bekanntlich eine elektrische Unterstation erhalten, welche, was ebenfalls bekannt ist, auf dem alten Kinderfriedhof zu stehen kam und an das Rückgebäude von Haus-Nr. 173 an der Nymphenburger Straße angebaut wurde. Soweit ist die Sache ganz schön. Aber zur Erzeugung elektrischer Kraft braucht man auch eine Maschinerie. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn diese Maschinen in Tätigkeit sind, dann wackeln alle Mauern des Rückgebäudes, so dass man den Einsturz befürchten muss. Von einer Nachtruhe ist keine Rede mehr. Die Folge davon ist, dass die Parteien in dem betreffenden Hause ausziehen und die Hausbesitzerin hierdurch empfindlich geschädigt ist. Dem hochgeschätzten Magistrate wird nun nichts anderes übrig bleiben, als das betreffende Rückgebäude käuflich zu erwerben, wenn er sich die unvermeidliche Klage auf Schadloshaltung vom Halse halten will.“ Die Stadt München kaufte 1911 dann tatsächlich das Vorder- und Rückgebäude Nymphenburger Straße 173.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde an der südwestlichen Ecke des Grundstücks, direkt an der Friedhofsmauer zum Winthirfriedhof, ein Löschwasserbecken angelegt. Nach Kriegsende wurde der vordere Gebäudeteil an der Nymphenburger Straße an ein Möbelgeschäft vermietet, dem in den 1980er-Jahren ein Getränkemarkt folgte.
Seit 1994 gab es Pläne, auf dem Areal ein Bürgerzentrum zu errichten. 1998 konnte in der ehemaligen Transformatorenhalle im ersten Stock der neue Neuhauser Bürgersaal „Trafo“ eröffnet werden, der nun kulturell genutzt wurde. Im Erdgeschoss kam das Alten- und Service-Zentrum (ASZ) Neuhausen unter und 2003 zog die Neuhauser Geschichtswerkstatt in die vorderen Räume im ersten Stock, die ursprünglich für den Hausmeister vorgesehen waren.
Wegen Lärmschutzproblemen konnte der Saal nur eingeschränkt genutzt werden. Das führte zur Überlegung, an dieser Stelle einen Neubau für die erste Mittelpunktbibliothek Münchens zu errichten und dort auch eine Filiale der Münchner Volkshochschule und die Geschichtswerkstatt Neuhausen unterzubringen. Daraufhin wurde der vordere Bau abgebrochen und 2007 der Grundstein für den Neubau gelegt. Im Spätsommer 2009 war der neue „Trafo“ fertig, wobei der bisherige Bürgersaal – er steht unter Denkmalschutz – als Lesesaal in die Stadtbibliothek eingebunden wurde. Der nun „Trafo I“ genannte Bau ging in Betrieb.
Es folgte die Planung für den „Trafo II“, das Kulturzentrum auf dem rückwärtigen Grundstücksteil. Außer dem neuen Bürgersaal mit den notwendigen Nebenräumen wurde ein Wohngebäude mit Kindertagesstätte errichtet. Als 2014 mit den Aushubarbeiten begonnen wurde, dauerte es nicht lange, bis die Bagger die ersten Knochen und Skelette aus dem früheren Friedhof an das Tageslicht brachten. Die Archäologen stürzten sich auf diese Funde, was zu einem rund 2-monatigen Baustopp führte. Dann klagten Anwohner aus der Aldringenstraße gegen das Bauvorhaben und es kam zu einem weiteren Baustopp. Eine Neuplanung musste vorgenommen werden. Danach zogen sich die Arbeiten noch mehr als vier quälend lange Jahre hin, bis „Kultur im Trafo“ im Sommer 2021 endlich eröffnet werden konnte.
Geschichtswerkstatt Neuhausen e.V.